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Gut geträumt.
24.6.2024
Andacht zur Eröffnung des zweiten Sitzungstages der Synode des Ev. Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein am 22. Juni 2024
von Pfarrer Martin Eckey, Olpe
Guten Morgen! Ausgeschlafen?
Die eine Entscheidung ist gefallen[1]. Gestern.
Und weitere Entscheidungen werden folgen[2]. Heute.
Und dazwischen, mitten zwischen gestern und heute: die Nacht und der Schlaf. Eine Zeit zum Stillwerden, zum Erholen, zum Träumen und zum Ausschlafen. Eine Zeit, in der wir uns den Träumen überlassen – und Gott.
Was habe ich nur geträumt, denke ich manchmal im Tageslauf. Wenn sich unwillkürlich einzelne Sequenzen und Bilder ins Bewusstsein drängen. Seltsames, Unmögliches und Komisches. Doch unwirklich ist es nicht. Hat es doch mit mir zu tun. Mit meinem Erlebten. Gerade Erlebtem oder schon Jahre Zurückliegendem. Es ist, als würde über Nacht das Gehirn aufräumen. Das Traumkomitee kehrt hervor, was ungeordnet liegen geblieben ist. Was verdrängt war und keine Ruhe gibt. Das Traumkomitee verändert es, es spielt damit. Und erinnert mich.
Träume sind vollkommen frei. Wir können sie nicht beeinflussen. Das Freie und Fremde an unseren Träumen ist das besonders Schöne an ihnen. Träume sind frei. Frei wie Gott selbst. Da wundert es nicht, dass Gott sich gern den Weg über Träume wählt, um zu uns zu kommen.
Josef z. B., Marias Verlobter, träumt, als er vor einer schwierigen Entscheidung steht. Moral und auch seine eigene Enttäuschung drängen ihn, Maria zu verlassen. Doch ihm träumt: „Du bleibst! Euer gemeinsame Weg geht weiter!“ Und dann, Monate später, nach der Geburt des Kindes schon wieder: „Jetzt bleibe nicht! Geh und flieht nach Ägypten!“ Ein lebensrettender Rat.
Und dort, in Ägypten, dort hatte sich vor Generationen schon ein anderer Josef auf Träume verstanden. Josef, der Träumer. Josef, der Weise. Denn ihm war sogar die Gabe der Deutung gegeben: „Den sieben reichen Jahren werden sieben magere Jahre folgen!“ Die Botschaft: nicht: bleib! Und auch nicht: Geh! Sondern: „Sei bereit! Denn Dir ist Verantwortung übertragen.“ Das ist ein Traum, der uns gegenwärtig sehr nahekommt.
Doch längst nicht jeder Traum ist im Umkehrschluss auch Offenbarung Gottes. Der Profet Jeremia hat sich noch vor wenigen Wochen an einem Sonntagvormittag in seinem Predigtwort bitter beklagt über die Arroganz der Beschwichtigungsprofeten und ihrer „gefakten“ Träume. Er klagt: “Sie sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt! Ein Profet, der Träume hat, erzähle Träume. Wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht!“ Man darf den Träumen nicht ihre Freiheit nehmen. Sie nicht für eigene Absichten instrumentalisieren. Träume sind frei. Frei wie Gott selbst. Und sie sind kreativ. Kreativ wie der Schöpfer der Welt.
Ein Traum von unserer Welt findet sich gleich zu Anfang unserer Bibel. Eigentlich liest sich die Erschaffung des Lebens so, als ob Gott sich einen Traum erfüllt: Himmel, Erde, Luft und Meer. Das helle Licht. Die funkelnden Sterne. Der Mond, mal Sichel, mal weißschimmernder runder Ballon. Die Wälder, dunkel und dicht, dann wieder lichtdurchflutet. Die weiten Wiesen. Der Flug der Vögel, das Gewimmel der kleinen und großen Tiere im Meer und an Land. Zuletzt verleiht Gott seiner größten Sehnsucht Gestalt: Er schafft den Menschen. Nicht als Untertan, sondern als Gegenüber, nach Gottes Bild. Und siehe, es war sehr gut. Es ist der Traum nicht nur vom Anfang. Es ist der Traum von seinem Sinn. Von seinem Ziel.
Du hast mich geträumt gott
wie ich den aufrechten gang übe
und niederknien lerne
schöner als ich jetzt bin
glücklicher als ich mich traue
freier als bei uns erlaubt
Hör nicht auf mich zu träumen gott
ich will nicht aufhören mich zu erinnern
dass ich dein baum bin
gepflanzt an den wasserbächen des lebens.
Es ist ein Gedicht von Dorothee Sölle. Es erinnert daran, wie diese Welt in biblischer Tradition gedacht ist – gerecht und frei und geschwisterlich. Ein Traum von einer Welt! Könnte es nicht sein, dass Gottes Traum die Richtung anzeigt? Dass der Schöpfungsbericht gar nicht berichten will, sondern wachsam machen? Wachmachen und aufwecken zu ganz ausgeschlafenen Tagträumen? Nicht nur an Vergangenes erinnert, sondern den Traum einer gerechten Welt träumt?
Du hast mich geträumt Gott. Zum Träumen ist man nie zu alt. Ein wunderbares Wort des Propheten Joel sagt: Eure Alten sollen Träume haben. Eure Alten – wir Alten. Wir Presbyteroi. Wir mit unserer Lebenserfahrung und Leitungsverantwortung. Gepflanzt an den Wasserbächen der Weisungen Gottes. Des Lebens so schön und so gut! Wir werden noch so nötig gebraucht. Gott bewahre uns die Wachheit für solche ausgeschlafenen Träume zum Leben - so schön und so gut. Gott will mit uns die Erde verwandeln. Amen!
Gebet
Aus allen Winkeln unseres vereinigten Kirchenkreises kommen wir zusammen. Was werden soll, wollen wir beraten. Die vielfältigen Dienste wollen gesehen und gewürdigt werden, sollen begleitet und gesichert werden. Dafür stellen wir uns auf. Hilf, dass wir uns auf das Wesentliche konzentrieren, dass jede und jeder gehört und verstanden wird. Hilf, dass Dein Auftrag an uns hörbar und sichtbar gemacht wird. Stärke unseren Zusammenhalt. Schenke uns Freude und Fantasie, Träume von einer gerechten Welt. Lass unserer Beratungen und Entscheidungen zum Segen werden. Amen!
Segen
Der Segen und die Güte Gottes behüte und bewahre uns. Amen!
[1] Gemeint ist die Wahl von Pfarrerin Kerstin Grünert, Erndtebrück, zur neuen Superintendentin.
[2] Angespielt wird auf die Wahlen für den Kreissynodalvorstand und andere kreiskirchliche Aufgaben.
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