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"Niemals wieder": Gedenken an Brand der Siegener Synagoge

13.11.2024

Gedenken an den Brand der Siegener Synagoge am 10. November.
© Claudia Irle-Utsch
Gedenken an den Brand der Siegener Synagoge am 10. November.

Applaus brandet auf. In einem Ton, der das Gesagte unterstreicht. Warm, herzlich, dankbar und durchaus betroffen. Gerade hat Elke Büdenbender gesprochen. Die Juristin ist Richterin am Verwaltungsgericht in Berlin, sie ist die Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und sie ist im Siegerland aufgewachsen. Sie kennt Siegen und damit auch die Geschichte der dortigen jüdischen Gemeinde, deren Gotteshaus am 10. November 1938 von SS- und SA-Männern in Brand gesetzt wurde. Niemand griff damals ein, alle schauten zu, alle schauten weg. „Erinnern wir uns daran, dass das niemals wieder geschehen darf“, mahnte Elke Büdenbender am 10. November 2024 beim Gedenken an den Brand der Siegener Synagoge. Viele Menschen hatten sich dort, wo bis in den Spätherbst des Jahres 1938 Menschen jüdischen Glaubens beteten, sangen, miteinander sprachen, lernten, lebten und lachten, versammelt, um gemeinsam aus den Lehren der Vergangenheit Handlungsmaximen für die Gegenwart zu finden.

Pfarrer i.R. Raimar Leng, der evangelische Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (CJZ) Siegerland, moderierte die Veranstaltung, an der neben vielen Interessierten aus Stadt und Land auch der Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, Andreas Müller, und die Gäste einer Delegation aus dem israelischen Partnerkreis Emek Hefer teilnahmen. Der Zuspruch für die Arbeit der CJZ und für das Gedenken an den Synagogenbrand sei in der Siegerländer Bevölkerung groß, so Raimar Leng auf Nachfrage. Es sei ihm ein Anliegen, die Themen, die unter anderem in Kooperation mit den Projekten des Aktiven Museums Südwestfalen ihren Niederschlag fänden, in die Kirche zu tragen.

Deutlich wurde, wie sehr neben der Erinnerung an den 10. November 1938 sich der Blick zugleich auf die schrecklichen Geschehnisse am 7. Oktober 2023 in Israel richteten – auf das Massaker der Hamas-Terroristen und auf die Folgen dieses Angriffs: Traumata, Menschen (noch immer!) in Geiselhaft, Krieg, Ungewissheit in Nahost. Scheinbar, so Raimar Leng, gebe es „kein Ende der Gewalt“. Also, was tun? Aus seiner Sicht sei die „unabdingbare Solidarität mit unseren Freunden und Freundinnen in Israel“ unerlässlich. „Wir sollten ihnen, so gut es geht, zur Seite stehen.“

Elke Büdenbender sprach bei der Gedenkveranstaltung.
© Claudia Irle-Utsch
Elke Büdenbender sprach bei der Gedenkveranstaltung.

Deutlich sichtbar wurde dieses Zur-Seite-stehen beim Gedenken am Platz der Synagoge in Siegen, wo junge Menschen aus Israel und Siegen-Wittgenstein gemeinsam mit Textbeiträgen und Musik die Möglichkeit beschworen, dass vielleicht eines Tages wirklich alle Menschen in einer friedlichen und gerechten Welt miteinander leben könnten. „Imagine ...“. Auf der Schleife des Kranzes, den die jungen Erwachsenen Seite an Seite vor dem Eingang zum Aktiven Museum niederlegten, ist zu lesen: „Gegen das Vergessen“.

Zeichenhafte Aktionen wie diese machten ihr Hoffnung, betonte Elke Büdenbender. Die prominente Gastrednerin warb engagiert dafür, die „Pflicht, aus der Geschichte zu lernen“, ernst zu nehmen und einen „Weg des Muts und der Zivilcourage“ zu begehen. „Wie leicht verfallen auch wir in eine Haltung der Passivität und des Wegschauens.“ Mit Bezug auf ihre eigene politische Herzensbildung erzählte Elke Büdenbender von ihrer Großmutter, die ihr einst „Das Tagebuch der Anne Frank“ zum Lesen gegeben habe. „Elke, wenn jemand sagt, er habe nichts gewusst, dann sagt er nicht die Wahrheit“, seien die begleitenden Worte gewesen. Sie habe gelesen, später – beim Besuch mit ihrem Mann in Auschwitz – auch gesehen, was passierte, aber begreifen könne sie all das nicht. Es sorge sie, so Elke Büdenbender weiter, dass nach dem Massaker der Hamas vermehrt auch in Deutschland Hass und Hetze gegen Jüdinnen und Juden zu erleben seien: „Auf den Schulhöfen, an den Abendbrottischen, an den Universitäten.“

Wo Worte fehlen, können Gebete helfen. Und so war es hilfreich und gut, dass auch dieses Mal Alon Sander, der jüdische Vorsitzende der CJZ Siegerland, das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach. Dazu zwei weitere Gebete: das traditionelle Jiskor und ein nach dem 7. Oktober 2023 neu verfasstes „Gedenke ...“. Wer sich erinnert, vergisst nicht. Nicht die Menschen, nicht die Namen, nicht was ihnen widerfuhr.

Gegen ein gleichgültiges Zuschauen bei alledem, was sich augenblicklich an rechtsextremen und populistischen Tendenzen in der Welt entwickele, sprach Siegens Bürgermeister Steffen Mues an, der ausdrücklich auch die katholische Vorsitzende der CJZ Siegerland, Anne Ploch, begrüßte. 86 Jahre nach dem Brand der Siegener Synagoge und 120 Jahre nach deren Errichtung sei beim Blick in die Ferne, aber auch die Nähe zu sehen, „wie schnell aus Hass Taten werden“. Mues: „Wir brauchen ein klares Nein zu Intoleranz und ein klares Ja zu Vielfalt. Laut und deutlich.“

Claudia Irle-Utsch

Gedenken an den Brand der Siegener Synagoge am 10. November.
© Claudia Irle-Utsch
Gedenken an den Brand der Siegener Synagoge am 10. November.
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