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Weihnachtsandacht der
Superintendentin

20.12.2024

Der Heilige Abend führt uns in die Stille. Alles soll ruhig werden. „Alt und Jung sollen nun nach der Jagd des Lebens einmal ruh´n.“ So heißt es in dem Gedicht „Knecht Ruprecht“ von Theodor Storm. Friede soll überall einkehren. Stille Nacht, Heilige Nacht in der ganzen Welt.

 

Aber was ist, wenn die Stille Nacht gar nicht still ist? Die Welt hört nicht auf zu lärmen und zu dröhnen. Sie kommt wohl auch an Weihnachten nicht zur Ruhe. Sie ist beunruhigend und brodelnd, zerrissen und verstörend. Und das ist sie schon lange. In den alten Worten des Propheten Jesaja klingt das auch schon an. Wohl vertraute Worte, die den Frieden verheißen, die Ruhe, die wir in der Heiligen Nacht herbeisehnen. Die Friedensbotschaft muss sich erst gegen das Dröhnen der Welt durchsetzen.

 

Das Volk, das in der Finsternis lebt, hat ein großes Licht gesehen.

Es scheint hell über denen, die im düsteren Land wohnen.

Gott, du lässt sie laut jubeln, du schenkst ihnen große Freude.

Sie freuen sich vor dir, wie man sich bei der Ernte freut.

Sie jubeln wie beim Verteilen der Beute.

Zerbrochen hast du das drückende Joch, die Stange auf ihrer Schulter und den Schlagstock der Peiniger.

Verbrannt wird jeder Stiefel, mit dem die Soldaten dröhnend marschierten.

Ins Feuer geworfen wird jeder Mantel, der im Krieg mit Blut getränkt wurde.

Denn uns wurde ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt worden.

Ihm wurde die Herrschaft übertragen. Er trägt die Namen: wunderbarer Ratgeber,

starker Gott, ewiger Vater, Friedefürst.

Seine Herrschaft ist groß und bringt Frieden ohne Ende.

Er regiert als König auf dem Thron Davids und schafft Recht und Gerechtigkeit.

So festigt und stärkt er sein Königreich jetzt und für immer.

Der Herr Zebaot bewirkt das in seiner leidenschaftlichen Liebe. (Jesaja 9, 1-6, Basisbibel)

Jesaja benennt ganz schonungslos den Zustand der Welt, wie er sie erfährt. Da ist das Volk, das in Finsternis lebt, unter militärischer Not leidet, unter Krieg, Zerstörung und Bedrückung. Der Prophet mutet uns aber nicht nur den Zustand der Welt zu, wie sie ist. Genau in diese Welt spricht er seine Verheißung, spricht davon, wie die Welt sein könnte. Er schildert das Ende des Gedröhns und eine Erlösung und Befreiung durch den Retter, den Gott in die Welt schicken wird. Ganz anschaulich wird dieser Retter beschrieben. Er wird den Kriegen ein Ende machen und Frieden ohne Ende bringen. Frieden ohne Ende? Das ist doch utopisch. Krieg geht nicht mehr weg – auch im Frieden nicht. Viel zu groß ist der Schaden, den die Kriege dieser Welt schon angerichtet haben. Überall sind Narben in den Herzen und in den Köpfen der Menschen. Selbst wenn Frieden geschaffen wird, sind wir uns seiner Zerbrechlichkeit bewusst. 

Seine Herrschaft ist groß und bringt Frieden ohne Ende.

Er regiert als König auf dem Thron Davids und schafft Recht und Gerechtigkeit.

Das ist aber doch die Weihnachtsbotschaft. Deswegen hören wir alle Jahre wieder wie Jesus Christus in die Welt hineingeboren wird. Wir hören diese Worte, damit wir unsere Sehnsucht nach Stille und Ruhe spüren – verbunden mit der unstillbaren Hoffnung, es möge Frieden werden.

Wie dieser Friede entstehen kann, beschreibt Jesaja. Jedenfalls so, wie wir ihn tatsächlich umsetzen können. Friede entsteht dann, wenn wir Recht und Gerechtigkeit aufrechterhalten. Beides entsteht nicht einfach so, sondern muss von einer Gesellschaft umgesetzt werden. Friede ist kein gegebenes Paradies, in das uns Gott einfach hineinsetzt. Frieden ist Beziehung. Frieden geschieht zwischen uns Menschen, wenn wir darauf achten, dass alle gerecht behandelt werden. Frieden ist Respekt vor dem Recht und der Würde des anderen. Das ist, wenn man den Propheten Jesaja hört, unsere Möglichkeit zu gelingendem Leben.

 

Ein Kind wurde uns geboren. Das ist die Botschaft von Weihnachten – alle Jahre wieder. Wir hören sie, damit sie die Schreckensnachrichten aus aller Welt übertönt. Das Wort der Verheißung soll lauter sein und die ganze Welt mit all ihrem Gedröhn umspannen. An Weihnachten eröffnet sich für uns die Möglichkeit auf Frieden. Uns allen wird an Heiligabend Jesus Christus als Kind in der Krippe in die Arme gelegt. Und mit ihm halten wir jedes Kind im Arm, das im Krieg leben und aufwachsen muss. Jedes einzelne Kind bedeutet Hoffnung auf eine gerechte Welt, Sehnsucht danach, friedvoll aufzuwachsen und Recht auf ein würdevolles Leben. Die Stille Nacht gilt nicht nur uns, sie gilt vor allem unseren Kindern und Kindeskindern.

 

Weihnachten und die Stille Nacht sind keine naive Verblendung der Welt mit all ihrem zerrissenen Tagesgeschäft. Wir hören das Dröhnen und Lärmen der Welt und dazwischen die Botschaft der Engel, das Wort der Verheißung. Die Verheißung des Friedens fordert uns heraus, Recht und Gerechtigkeit ernst zu nehmen. Das Dröhnen dieser Welt wird nicht leiser, wenn wir uns die Ohren zuhalten. Es wird leiser mit jedem einzelnen, kleinen Frieden, der einem Menschen ein Stück Gerechtigkeit verschafft. Ich wünsche Ihnen ganz viele kleine Friedensmomente und eine Stille Nacht!

 

Herzlichst, Ihre Kerstin Grünert, Superintendentin

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