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Projekttag am Evangelischen Gymnasium
20.6.2024
Aufmerksam hören die Schülerinnen und Schüler, die in ihrer Zahl eine Klassengröße weit überschreiten, zu, was Maxi (17) und Misia (16) in ihrer Unterrichtsstunde zu berichten haben. Der Klassenraum platzt aus allen Nähten, die Jugendlichen sitzen auf den Stühlen, den Tischen, dem Boden. „Social Media = Droge? Sind wir schon alle abhängig?“: Dieses Thema hat viele junge Menschen angesprochen. Es ist eines von vielen Themen, das an diesem Montag von Schülerinnen und Schülern der Qualifikationsphase 1 am Evangelischen Gymnasium Siegen-Weidenau (Evau) im Rahmen eines Präsentationstages vorgestellt wird. An diesem besonderen Tag gestalten Schülerinnen und Schüler den Unterricht und stellen die Ergebnisse, Einsichten und (Er-)Kenntnisse ihrer vorangegangenen Projektkurse vor, die unter der Überschrift „Diakonisches Lernen“ stattgefunden haben. Die jüngeren Schülerinnen und Schüler stellen sich einen Tagesplan nach eigenem Interesse zusammen und entscheiden, welche Präsentationen sie sich anschauen wollen.
Die beiden Freundinnen Maxi und Misia hatten sich für die „Social-Media = Droge? Sind wir schon alle abhängig?“ entschieden, befragten eine Psychologin und führten eine eigene Umfrage durch. Sie präsentierten ihre Ergebnisse in einem informativen Vortrag und vermittelten ihre gewonnenen Erkenntnisse. Misia erklärte in Bezug auf die häufige Mediennutzung: „Durch Langeweile entsteht Kreativität. Diese Langeweile bekommen wir nicht mehr zu spüren.“
Die Referentinnen gingen auch auf das Thema Sucht genauer ein, erklärten, dass es sich beispielsweise um eine solche handle, wenn es keinen geregelten Tag- und Nachtrhythmus mehr gebe. Auch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler bezogen Maxi und Misia mit in ihren Vortrag ein, fragten nach ihren Bildschirmzeiten. Die Antworten fielen unterschiedlich aus: drei oder fünf Stunden. Eine gesunde Bildschirmzeit, erklärten die beiden Schülerinnen, liege bei etwa zwei Stunden pro Tag. Sie selbst hatten ein Experiment gewagt. Fünf Tage lang lebten sie im Januar ohne Handys in einer kleinen Holzhütte, die kein fließendes Wasser und keine Elektrizität hatte und in der sie mit einem Ofen heizen mussten. In ihrem Vortrag sprachen die Schülerinnen über ihre Erwartungen und ihre Erfahrungen. Misia hatte in der Zeit ein Buch gelesen: „Man fühlt die Geschichte so intensiv, weil man keine Ablenkung hat. Unsere Aufmerksamkeitsspanne hat sich so krass verändert.“ Einen eindrücklichen Moment erlebten die beiden am Ende ihres Experimentes, als sie ihre Handys wieder einschalteten. Mit einer Kamera hielten sie das auf Video fest und zeigten, wie viele Nachrichten auf dem Bildschirm auftauchten. Und beim Durchsehen stellten sie fest: „Wir haben inhaltlich nichts verpasst.“
Raumwechsel, eine Etage höher. Hier stellen die 17-jährigen Amelie, Lilly und Kim vor, was sie über den Alten Flecken in Freudenberg und die Fachwerkhäuser gelernt hatten. Sie hatten Praktika im Museum in Freudenberg beziehungsweise in einem Architekturbüro gemacht. Die Schülerinnen hatten etwas vorbereitet, bei dem alle mitwirken konnten. Gemeinsam konnte an einem kleinen Fachwerkhaus-Modell gearbeitet werden. Wieder ein anderer Raum, dieses Mal die „Arche“, die Aula des Evaus. Hier wurden bei einem Poetry Slam selbstgeschriebene Gedichte vorgetragen. Die 18-jährige Emily machte sich dabei beispielweise Gedanken über den Sinn des Lebens und ließ mit ihrem vorgetragenen Gedicht die Zuhörenden an diesen Gedanken teilhaben.
Die Titel der Vorträge am Präsentationstag der Projektkurse reichten von „Skifahren am Limit – Ist der Klimawandel der Tod für den Wintersport oder ist er noch zu retten?“ über „Psychotricks der Entwickler-Unternehmen“ bis hin zu „Menschen, Kirche und Wiederstände zu den Geschehnissen im Dritten Reich“. Für die Projektkurse vorgegeben waren den Schülerinnen und Schülern die Themen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung angeboten worden. Im Rahmen dieser Oberthemen suchten sich die Jugendlichen der Qualifikationsphase 1 ein eigenes Thema und Projektvorhaben. Zu Beginn des zweiten Halbjahres folgte eine zweiwöchige Praxisphase, in der die Schülerinnen und Schüler ein Praktikum oder auch ein eigenes Projekt machen konnten. Hauptverantwortlich für die Projektkurse war Lehrerin Astrid Greve. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen entwickelte sie das Konzept der Kurse. „Die Projektkurse ,Diakonisches Lernen‘ gehören zu unserer Schule als einer Schule in evangelischer Trägerschaft. Es gibt sie mit diesem spezifischen Profil nur bei uns und das bereits seit zwölf Jahren“, erklärt Astrid Greve.
„Glauben ist nicht nur ein Für-wahr-Halten, auch nicht nur ein persönliches Vertrauensverhältnis zu Gott, Glauben – das ist auch ein Lebensweg, Hoffen und Handeln, das ist Mitarbeit für eine bewohnbare Erde für alle“, heißt es im beschreibenden Text für die Projektkurse. „Diakonisches Lernen heißt zu lernen, was im biblischen Sinne Gerechtigkeit heißt. Die hier gemeinte ,diakonische Praxis‘ ist nicht nur auf karitatives, helfendes Handeln beschränkt, sondern ist soziales, gesellschaftliches und politisches Engagement im Sinne einer Verantwortung für eine humane und gerechte Gestaltung des Lebens.“ In diesem Sinne sei das diakonische Lernen nicht nur auf den Religionsunterricht bezogen, sondern auf alle Fächer der Schule. „Es geht um die Mitarbeit an der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft", hebt Astrid Greve die Idee der Projektkurse hervor.