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Die offene Tür als wichtiges Bild
22.6.2023
Wenn man genau hinschaut, dann verbindet die katholische Kirche und die evangelische Kirche sehr viel mehr als die Beiden trennt. Leider gehören heute auch hohe Austrittszahlen dazu. Genau darum ging es jetzt bei der Ökumenischen Pfarrkonferenz des Katholischen Dekanats Siegen und des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein. Überschrieben war die Veranstaltung mit „Should I Stay or Should I Go - der Umgang mit Kirchenaustritten“. Die englisch-sprachige Frage nach dem Bleiben oder Weggehen hatten sich die Referentinnen Ruth Nefiodow und Andrea Keinath von einem gut 40 Jahre alten Punk-Rock-Song ausgeliehen. Die vom Erzbistum Paderborn geschaffene Internet-Seite zum Thema „Kirchenaustritt“, die bewusst Austrittwilligen und Ausgetretenen ein offenes Ohr bietet, wird von den beiden Theologinnen im Rahmen ihrer Arbeit im Labor E des Erzbistums betreut, das „E“ steht hier für Evangelisierung, Entwicklung, Ermutigung.
Ermutigung war dann aber zunächst einmal schwer zu finden in den Zahlen, die der Vortrag für die vergangenen Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte aufzählte. Üblicherweise lagen die evangelischen Austrittszahlen höher als die katholischen: Die erste Lohnabrechnung nach dem Berufseinstieg mit dem in Euro und Cent ausgewiesenen Kirchensteuer-Abzug und externe Faktoren wie die Einführung des Solidaritätszuschlags als finanzielle Belastung der Privathaushalte trieben die Austritte genauso in die Höhe wie Missbrauchs-Skandale, vor allem die Jungen und Menschen in der Lebensmitte verlassen die Kirche, Ausgetretene beider Konfessionen gaben mehrheitlich an, dass sie schon länger die Verbindung zur Kirche verloren hatten. Andrea Keinath und Ruth Nefiodow wiesen dabei auf die wichtige Unterscheidung zwischen Anlass und Grund hin: „Ein äußerer Anlass (z.B. der Missbrauchsskandal und der Umgang damit) bewirkt, dass ein schon länger erwogener Kirchenaustritt in die Tat umgesetzt wird. Der tieferliegende Grund für die Erwägung eines Kirchenaustrittes ist in den meisten Fällen die Entfremdung zwischen Kirche und Kirchenmitgliedern.“
Doch gegen die Entmutigung, die daraus entstehen könnte, setzten die Referentinnen in dieser Pfarrkonferenz-Gemeinde, das Treffen hatte mit einer Andacht von Dechant Karl-Hans Köhle begonnen, ganz bewusst einen Kontrapunkt: Sie erinnerten daran, dass Getaufte nach ihrem Austritt getauft bleiben. So war am Ende das Bild einer offenen Kirchentür im Fazit von Ruth Nefiodow und Andrea Keinath wichtig. Für die, die gegangen sind: „ein offener, freundlicher und verständnisvoller Umgang mit den Ausgetreten um zu signalisieren, dass sie immer willkommen sind und ein offenes Ohr vorfinden“. Und für die, die die Kirche noch nicht kennen: „um echten Kontakt zu bekommen, muss die Kirche hinausgehen“. Nach dem informellen Austausch zwischen den anwesenden 40 Mitarbeitenden aus dem pastoralen Dienst des Dekanats und des Kirchenkreises bei Schnittchen und Kaffee wurde dann in großer Runde darüber diskutiert, wie solche offenen Türen aussehen könnten: Es gelte für den Glauben in ganz neue Such- und Entdeckungsprozesse einzusteigen, ermutigte Superintendent Peter-Thomas Stuberg. Wobei es dann auch kritische Hinweise gab, dass das mit immer weniger hauptamtlichem Personal schwer zu leisten sei, auch wenn Kirche generell nur in Kombination mit dem ehrenamtlichen Engagement von Christinnen und Christen funktionieren kann.
Der Ort für diese Pfarrkonferenz war perfekt gewählt. Aus der Ökumene-Perspektive: St. Matthias ist seit 2018 eine Meditations- und Lichterkirche. Dabei orientiert sich die katholische Kirche in dem Netphener Ortsteil Deuz an dem Konzept einer evangelischen Kirche im Willinger Ortsteil Rattlar. Und aus der Alltags-Perspektive: Das Deuzer Gotteshaus hat nun auch außerhalb der Gottesdienst-Zeiten reichlich Besuch. Der große Kirchenraum erfreut Gruppen und Einzelne, Junge und Ältere mit beeindruckenden Licht-Effekten und abrufbaren Andachts-, Bibel-Rezitations- und Musik-Dateien. Ganz niedrigschwellig auf neuen Wegen und mit einer täglich von 10 bis 18 Uhr offenen Tür.