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Kirche leistet einen unverzichtbaren Dienst in der Gesellschaft
19.7.2024
Wozu ist die Kirche da? Diese Frage stellte Superintendent Peter-Thomas Stuberg auf der jüngsten Synode des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein in Wilgersdorf in seinem Bericht, und er machte sich auf die Spur ihrer Verheißung. Es sei ein Merkmal der Volkskirche, dass Menschen ihr in unterschiedlicher Distanz oder Nähe verbunden seien. Das aber breche gerade auf. „Zur Kirche zu gehören wird zunehmend ein bewusster und überlegter Schritt, ebenso wie der, aus ihr auszutreten.“ Zugespitzt laute die Frage nach der Bedeutung der Kirche: „Wozu ist die Kirche denn für mich da?“ Der persönliche Nutzen entscheide über die eigene Mitgliedschaft. „Die Austrittsbereitschaft wiederum versetzt uns als Kirche in eine wachsende Sorge um kirchliche Arbeitsfelder.“ Wenn Menschen sich aus der Kirche verabschiedeten, dann kränke das auch Mitarbeitende, die mit Herzblut in ihr arbeiteten und die sich manches Mal fragten, ob ihr Tun nicht vergeblich sei. „So schmerzhaft diese Entwicklung ist, sie hat eben auch etwas sehr Ehrliches. Wozu ist die Kirche da? Wer so fragt, der sucht nach ihrer Substanz und danach, was diese Substanz ihm persönlich fürs Leben bringt. Darin, meine ich, liegt für uns eine Chance. Es nötigt uns selbst, wieder unseren Glauben neu und frisch zu begründen. Zu begründen vor uns selbst und vor anderen.“ Der Glaube müsse so begründet sein, dass er mit Kopf und Herz verstanden werde. Die Kirche sei Kirche, weil Gottes Verheißung und sein Auftrag Christinnen und Christen zur Kirche mache, und zwar zu einer Volkskirche mit immer noch stattlichen Mitgliederzahlen. „Kirche Jesu Christi wirkt, weil sie von seinem Wirken lebt. Noch immer. Im Superintendentenamt durfte und darf ich das an vielen Stellen im Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein sehen. Das ist das Wunderschöne dieses Amtes“, gab Peter-Thomas Stuberg einen Rückblick auf die vergangenen zwölf Jahre seiner Amtszeit als Superintendent. „Man entdeckt eine reichhaltige Fülle und geistliche Lebendigkeit. Man muss dieses Wirken Christi nur entdecken. Es ist vielleicht kein Wirken mehr in großen Zahlen, ausgebuchten Veranstaltungen und übervollen Gottesdiensten. Christus wirkt nicht nur durch spektakuläre Events. Auch wenn es davon noch etliche gibt, die schön sind. Nein, es sind vielmehr die kleinen Leuchtpunkte in Kirche, die davon erzählen, dass Gott seit Langem am Werk ist.“ Als Beispiel nannte der leitende Theologe hier unter anderem ein einfühlsames Seelsorgegespräch, das mit Angehörigen eines Schwerstkranken auf dem Krankenhausflur geführt werde. „Sie gehen danach gelöster, etwas gefasster nach Hause und können sogar loslassen; loslassen in Gottes Hand.“ Man könne auf die Suche nach kleinen angefüllten Leuchtpunkten gehen und sich davon erzählen: „Wir wären tief bewegt, an wie vielen Orten Christus leise unter uns wirkt. Nach außen vielleicht nicht immer sichtbar. Ich sehe in solchen unzähligen Leuchtpunkten eine vielfache Ermutigung, gerade dann, wenn uns wieder Mal die Austrittszahlen zusetzen am Ende des Jahres.“ Im vergangenen Jahr seien 1534 Menschen im Kirchenkreis ausgetreten. Bezogen auf einen Kirchenkreis mit 130.000 Gemeindegliedern seien das jährlich etwa 1,2 Prozent aller Gemeindeglieder, ordnete der Superintendent die Zahlen ein. „Das ist bitter und sollte uns nicht kalt lassen.“ Der Blick könne aber auch darauf gerichtet werden, dass 98 Prozent aller Mitglieder Gründe hätten zu bleiben. „Wir dürfen nicht außer Acht lassen, was sie hält, was sie brauchen und erwarten!“ Wo Kirche den Lebensgeschichten der Menschen einen Ort gebe, wo sie sich gesehen wüssten, entdeckten sie sich im geheimnisvollen Wirkungsfeld Christi. Da bleibe Kirche bedeutsam. „Das hat Verheißung und das macht mir Hoffnung gegen alle Unkenrufe von einer untergehenden weil bedeutungslosen Kirche.“
In den Blick nahm der Superintendent in seinem Bericht auch die gesellschaftliche Verantwortung, die die Kirche übernimmt und die zunehmenden Herausforderungen, die damit verbunden sind. „In vielen Arbeitsfeldern leisten Kirche und ihre Diakonie einen unverzichtbaren Dienst in der Gesellschaft“, betonte Peter-Thomas Stuberg. „Die Arbeit in unseren Kitas, im Evangelischen Gymnasium, im Abenteuerdorf Wittgenstein, in der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle, in der Flüchtlingsarbeit und in vielen diakonischen Einrichtungen tun wir als Kirche gern und geräuschlos, bringen uns ein mit Arbeitskraft und eben auch mit Finanzen.“
An vielen Stellen aber brauche der Kirchenkreis die öffentliche Hand für eine auskömmlichere Finanzierung der Arbeitsfelder, die jedem anerkannten Träger gesetzlich zugesichert sei. „Diese Aufgabenteilung ist subsidiär.“ In dieser Verhältnisbestimmung erlebe der Kirchenkreis zunehmende Irritationen, etwa im Bereich der Finanzierung der Bildungseinrichtungen. Als Beispiele nannte Peter-Thomas Stuberg unter anderem das Evangelische Gymnasium Siegen-Weidenau, dessen Träger der Kirchenkreis ist, und die Kindertageseinrichtungen, die zum Kirchenkreis gehören. Der Kreistag Siegen-Wittgenstein hat seine vertraglich vereinbarte Mitfinanzierung des Gymnasiums zum 31. Juli 2024 gekündigt. Der Kirchenkreis wird dagegen Rechtsmittel einlegen. „In eine noch herausforderndere Lage bringt uns die Arbeit in den Kindertageseinrichtungen. In unseren 57 Einrichtungen macht sich nicht nur der zunehmende Fachkräftemangel schmerzlich bemerkbar“, führte der Superintendent aus und nannte zudem die außerplanmäßigen Kosten für den Kirchenkreis, die durch berechtigte Tarifabschlüsse zustande gekommen, aber nicht auskömmlich refinanziert worden seien. „Dem Kirchenkreis sind hierdurch zusätzliche Kosten von rund zwei Millionen Euro aufgebürdet worden, die wir dank unserer zurückhaltenden Haushaltsführung den noch vorhandenen Rücklagen entnehmen konnten.“ Es müsse hier eine Revision des Kinderbildungsgesetzes geben und eine verbesserte Ausfinanzierung der Platzpauschalen gewährleistet werden.
Trotz aller Herausforderungen und allen sich veränderten Prozessen: „Begründet vertrauen dafür – dafür wollen wir als Kirche einstehen“, machte Peter-Thomas Stuberg am Ende seines Berichts deutlich. „Als Kirche, die sich um ihren Herrn Jesus Christus sammelt, mit ihm im lebendigen Gespräch bleibt, die sich herausschicken lässt mitten hinein ins Leben und seine Botschaft dort auslegt und die sich für seine Kraft offenhält, die bösen Geister zu vertreiben, von denen unsere Welt immer voller zu werden scheint.“