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Der Blog der Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Siegen
"Unsicherheit ist nie ein schöner Zustand". Interview mit Jörn Heller, Alpha-Buchhandlung Siegen
14.3.2025

Die Nachricht, dass die Alpha-Buchhandlung von Insolvenz betroffen ist, löst Bestürzung aus, auch bei der Erwachsenenbildung. Immerhin verbindet uns eine langjährige, inspirierende und vertrauensvolle Kooperation. Was genau bedeutet das, dass Ihr Euch jetzt in der Insolvenz befindet?
Zunächst einmal bedeutet es, dass die ALPHA GmbH, von der unsere Buchhandlung in Siegen ja eine Filiale ist, Zahlungsunfähigkeit angemeldet hat. Das Unternehmen befindet sich damit in der sogenannten vorläufigen Insolvenz. Die Regie übernimmt in diesem Fall ein Insolvenzverwalter, der die einzelnen Bereiche des Unternehmens durchleuchtet und Konzepte für dessen Sanierung erarbeitet. Das heißt also noch nicht schon, dass wir hier in Siegen schließen, es heißt aber doch, dass unsere Zukunft zum jetzigen Zeitpunkt ungewiss ist.
Was bedeutet es für Euch als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Seit wann ahnt, seit wann wisst Ihr von der Insolvenz? Wie geht Ihr persönlich damit um? Wie als Team?
Na ja, Unsicherheit ist nie ein schöner Zustand. Da schläft man naturgemäß nicht mehr ganz so tief und lange wie sonst, was freilich persönlichkeitsabhängig ist. Momentan hangeln wir uns von Tag zu Tag, denn es gibt jeden Tag eine neue Komplikation, die so eine Insolvenz mit sich bringt und die von uns zu bewältigen ist. Diese Woche sind wir z. B. froh, dass unser Großhändler uns wieder beliefert, denn wenn eine Insolvenz erst einmal offiziell ist, stellen einige Verlage schnell ihre Lieferung ein. Es dauert dann immer ein Weilchen, bis der Insolvenzverwalter den Sachverhalt geklärt und die Zahlung garantiert hat. Der Ladenbetrieb geht aber bei uns so normal weiter wie möglich.
Von der Insolvenz wissen wir seit dem 24. Februar. Richtig ahnen kann man so etwas nicht. Dafür fehlt einem der tiefere Einblick in die einzelnen Bereiche des Gesamtunternehmens, zu dem ja mehrere Filialen gehören. Wenn so eine Insolvenz da ist, kommt sie plötzlich und überraschend. Ich kann, was Ahnungen angeht, nur für Siegen sprechen, und da waren der Januar und Februar vom Umsatz her schon ziemlich unterirdisch, nach einem nicht gerade überwältigenden Weihnachtsgeschäft. Nun ist der Jahresbeginn ja nie besonders umsatzstark, aber dieses Jahr war die Flaute doch extrem. Das löst natürlich ein beträchtliches Unbehagen in einem aus, und ich fürchte, dass anderen Filialen ähnlich unbehaglich zumute war.
Was bedeutet es für uns als Kundinnen und Kunden, was für Eure Kooperationspartner?
Für unsere Kunden bedeutet es, dass sie nach wie vor sehr herzlich bei uns willkommen sind und wir alles tun, um sie mit guter Literatur zu versorgen. Und mit anderen schönen Dingen rund ums Buch. Für unsere Kooperationspartner bedeutet es, dass wir momentan nicht ganz so schwungvoll Lesungen und Vorträge planen können. Gemeinsame Veranstaltungen wird es erst dann zuverlässig geben, wenn die Kuh vom Eis ist, und das wissen wir schätzungsweise im Verlauf des Frühjahrs.
Was ist aus Deiner Sicht die Ursache für die Insolvenz?
Wie gesagt, das kann ich mangels Einblick nicht kompetent beantworten. Wenn ich mir aber vor Augen halte, was seit meiner Ausbildung zum Buchhändler vor rund 25 Jahren alles weggebrochen ist, dann hat das mit Sicherheit zur Insolvenz kräftig mit beigetragen. Erst verkauften wir noch 24bändige Brockhaus-Enzyklopädien und 10bändige Kinderlexika, dann kam Wikipedia. Erst musste man noch in den Laden, um ein Buch zu kaufen, dann kam das Internet. Erst hatten wir noch DVDs, dann kam Netflix, erst noch CDs, dann kam Spotify. Darüber hinaus nimmt die Fähigkeit junger Menschen, sich auf so etwas Stilles, Unscheinbares wie ein Buch zu konzentrieren, immer mehr ab, genau so wie die Anzahl der Menschen, die das bisher noch konnten und leidenschaftlich taten. Ein anderes riesiges Problem sehe ich in der Verödung der Innenstädte, die viele Menschen davon abhält, sich dort noch hinzubewegen. Dönerbuden, Getränkeläden, Nagelstudios und Barbershops empfinde ich persönlich nicht gerade als die großen Inspirationsquellen.
Welche Zukunftsvisionen hast Du für den qualifizierten, christlich-theologischen stationären Buchhandel?
Mir schwebt immer noch ein gut ausgesuchtes Sortiment mit Büchern vor, die Menschen Lust am Lesen und Leben vermitteln, gerade auch am Glaubensleben. Mir scheint, dass wir in unserer Gesellschaft momentan ein Riesendefizit an tieferem Sinn haben. Alles rast mit hohem Tempo in irrsinniger Digitalisierungsbessenheit auf irgendetwas zu, das keinen Namen hat. Johannes Hartl hat in seinem Buch „Eden Culture“ bei der Frage, was den Menschen eigentlich zum Menschen macht, drei Stichworte genannt: Verbundenheit, Sinn und Schönheit. Alles drei sehe ich auch als Ideale für eine Buchhandlung, wie ich sie mir vorstelle: nicht digitale, sondern echte Verbundenheit durch lebendige Begegnungen zwischen Menschen, nicht zuletzt in Lesungen und Vorträgen. Sodann: Sinn und Schönheit, wie sie sich erschließen durch ermutigende Sachbücher und inspirierende Romane, Gedichtbände, Kinderbücher usw.
Was können wir als Kundinnen und Kunden, was als Eure Kooperationspartner tun, um Euch zu helfen? Bücher kaufen, was das Zeug hält, klar. Gibt es noch weitere Möglichkeiten, Euch zu unterstützen? Wäre ggf. ehrenamtliches Engagement eine Hilfe? Bei manchen christlichen Bücherstuben läuft die Arbeit ja auch mit Hilfe von Ehrenamtlichen.
Das Ehrenamt sehe ich bei uns im Laden nicht. So ein Laden ist halt eben doch ein Geschäft, bei dem die Zahlen stimmen müssen. Und Ehrenamtliche würde die Zahlen verfälschen. Außerdem gibt es eine Schräglage, wenn die einen im Laden Gehälter und Löhne kriegen, die anderen aber nur die Ehre. Was uns wirklich momentan immens hilft, ist jeder einzelne Buchkauf und jede Bestellung, besonders von Menschen, die sich angewöhnt haben, ihre Einkäufe über das Internet abzuwickeln.
Lieber Jörn, vielen Dank für das eindrückliche Gespräch. Alles Gute Dir und Deinem Team.
Ich denke, wie mir geht es vielen Bildungs- und Lesefreudigen unserer Region: Euch muss es einfach weiter geben! Denn Ihr seid einfach nicht irgendein Laden. Außerdem sind Bücher nicht irgendeine x-beliebige Ware. Und Euer Laden so viel mehr als ein Verkaufsort.
Hoffen wir mit Euch, dass sich eine gute Lösung findet. Und tun wir etwas dafür...
Deshalb macht Euch auf die Socken, liebe Leute - schnappt Eure Portemonnais und dann nichts wie auf zu Alpha...
Telefonisch und per Mail bestellen ist natürlich auch immer eine gute Idee!
ALPHA Buchhandlung Siegen
Sandstraße 1
57072Siegen
Öffnungszeiten
Montag bis Freitag 10-18 Uhr
Samstag 10-16 Uhr
Telefonische Bestellung: 0271 2322514
Bestellung per E-Mail: siegen@alpha-buch.de
Das Interview mit Jörn Heller hat Heike Dreisbach geführt.